Klimapaket: Konsensergebnis unter Beschuss

(vom 12.10.2019)

Die Regierungskoalition von Union und SPD hat sich am 20. September auf ein sogenanntes Klimapaket geeinigt. Dem Kompromiss war eine über 19stündige Verhandlung zwischen den Koalitionsparteien vorangegangen. Im Kern verständigten sich die drei Parteien darauf, ein Bündel an Maßnahmen einzuleiten, die das Erreichen der aktuell gefährdeten deutschen Klimaziele für 2030 gewährleisten sollen. Diese Maßnahmen sollen in einem Klimaschutzgesetz verbindlich fixiert werden. Der Referentenwurf dieses Gesetzes sowie das nochmals weiter ausdefinierte Klimapaket wurde am 09. Oktober vom Bundeskabinett verabschiedet. Unter anderem sieht das Klimapaket vor,

 

  • dass es ab 2021 einen festen Preis für CO2-Emissionen auch in den Bereichen geben soll, die bislang nicht in den (Europäischen) Emissionshandel einbezogen sind. Das gilt damit insbesondere dem Verkehrs- und Gebäudesektor. Dieser Preis soll stufenweise steigen. Als „soziale Abfederung“ für dann steigende Kraftstoffpreise soll parallel ab 2021 die Pendlerpauschale um 5 Cent pro Kilometer ab dem 21. Kilometer steigen.

 

Konkret bedeutet das: Das nationale Emissionshandelssystem (nEHS) soll 2021 mit einem Festpreissystem starten. Dabei werden Zertifikate an die Unternehmen verkauft, die Heiz- und Kraftstoffe in Verkehr bringen. Die Kosten für die Zertifikate trägt der Brenn- und Kraftstoffhandel. Wenn Unternehmen Heizöl, Flüssiggas, Erdgas, Kohle, Benzin oder Diesel verkaufen, benötigen sie für jede Tonne CO2, die die Stoffe im Verbrauch verursachen werden, ein Zertifikat als Verschmutzungsrecht. Der Festpreis startet mit 10 Euro pro Tonne und steigt bis zum Jahr 2025 auf einen Festpreis von 35 Euro pro Tonne CO2. Je nach Ausgestaltung müssen somit Erdgaslieferanten ab 2021 einen Preis für CO2 zahlen. Erdgas verursacht je Kilowattstunde 201,96 bzw. 253,0 Gramm inklusive Vorkette. Bei einem Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden (Wärmeverbrauch eines Einfamilien-Hauses) entspricht dies ca. 4 bzw. 5 Tonnen CO2 pro Jahr. Werden die Kosten auf den Kunden umgelegt, dann entstehen dort Zusatzkosten in Höhe von 40-50 Euro im Jahr 2021 und 140-175 Euro im Jahr 2025.

Eine weitere damit verbundene Herausforderung: Einige Stadtwerke haben alle Privatkunden auf klimaneutrales Erdgas umgestellt. Dabei werden die entstanden CO2-Emissionen im Rahmen eines freiwilligen Zertifikatehandels ausgeglichen bzw. kompensiert. Analog zu den Certified Emission Reductions (CER) des Verpflichtungsmarkts werden auf dem freiwilligen Markt Voluntary Emission Reductions (VER) gehandelt, die zumeist nach freiwilligen Qualitätsstandards zertifiziert wurden. Die Umstellung aller Privatkunden auf klimaneutrales Erdgas nutzen immer mehr kommunale Unternehmen im Rahmen der Klimaschutzdebatte für ein positives Image und um sich mit ihren Produkten am Markt von anderen Akteuren abzuheben. Diese Maßnahmen tragen wesentlich zur Kundenbindung bei. Bei einer Einführung des nEHS für Wärme besteht die Gefahr, ein wesentliches Kundenbindungsinstrument zu verlieren. Stadtwerke-Kunden wird nur schwer zu vermitteln sein, dass sie bei einem klimaneutralen Erdgasprodukt einen zusätzlichen Aufpreis für die entstehenden Emissionen im Rahmen des nEHS zahlen sollen.

Deshalb setzt sich die ASEW für eine sinnvolle Kombination von klimaneutralen Erdgasprodukten mit dem nEHS ein, damit diese Produktdifferenzierung für kommunale Energieunternehmen erhalten bleibt. Beispielsweise könnten Unternehmen, die bereits ein klimaneutrales Produkt eingeführt haben, ganz oder teilweise von den Kosten für die Zertifikate im Rahmen des nEHS befreit werden.

 

  • Ölheizungen sollen mittelfristig vom Markt verschwinden: Der Einbau soll ab 2026 komplett verboten werden. Der Austausch von Altanlagen soll über Förderprogramme mit bis zu 40 Prozent der Kosten gefördert werden.

 

Hierzu werden bestehende Förderprogramme überarbeitet und deutlich ausgeweitet. Ziel  des  neuen  Förderkonzepts  ist  es,  für  alle  derzeit  ausschließlich auf Basis fossiler Brennstoffe betriebenen Heizungen wie z.B. alte Öl- oder Gasheizungen einen attraktiven Anreiz zur Umstellung auf erneuerbare Wärme, oder, wo dies nicht möglich ist, auf effiziente hybride Gasheizungen, die anteilig erneuerbare Energien einbinden, zu geben. Ob und wie genau hybride Gasheizungen von der Förderung profitieren können, die im Contracting umgesetzt werden, wird erst bekannt sein, wenn die Förderrichtlinie vorliegt. Insgesamt geht die ASEW jedoch davon aus, dass die Nachfrage insbesondere nach Wärmepumpen und hybriden Gasheizungen zunehmen wird. Bereits länder schon bietet die ASEW ein fertiges Wärmepaket (Kleinkessel-Contracting), das noch um die hybriden Gasheizungen erweitert werden muss. Darüber hinaus sind 2020 weitere Sitzungen der Projektgemeinschaft Wärmepumpe geplant, um für ASEW-Mitgliedsunternehmen ein Konzept zur Umsetzung eines Wärmepumpen-Angebots zu entwickeln.

 

  • Der länger schon unter Beschuss geratene Förderdeckel bei 52 Gigawatt kumulierter PV-Erzeugung soll fallen. Die Bundesregierung strebt für 2030 eine installierte Leistung von 98 Gigawatt an. Damit kommt die Bundesregierung letztlich Forderungen eines breiten Bündnisses gegen die entsprechende Regelung entgegen, das bei Erreichen des Deckels ein starkes Abfallen des weiteren PV-Zubaus befürchtet hatte.

 

Eine Beibehaltung des PV-Ausbaudeckels hätte sehr kurzfristig das Potenzial gehabt, den Zubau von PV-Anlagen zu beschleunigen – unter der Prämisse, dass der Deckelwert spätestens in 2020 erreicht worden wäre. Dies hätte im Bereich PV wahrscheinlich einen kräftigen Einbruch des Ausbaus zur Folge gehabt. Insofern ist die Abschaffung des Ausbaudeckels zu begrüßen. Gerade für zahlreiche Stadtwerke, die ein PV-Produkt in ihrem Portfolio vermarkten, wäre eine solche Entwicklung wenig erstrebenswert: Entsprechenden Produkten wäre so faktisch der Todesstoß versetzt worden. Insofern wirkt sich die Aufhebung des Ausbaudeckels zumindest indirekt positiv auf die Wirtschaftlichkeit des Geschäftsmodells aus, da hiermit ein deutlicher Impuls pro PV-Ausbau gesetzt wird.

 

  • Erneuerbare Energien sollen bis 2030 einen Anteil von 65 Prozent am Stromverbrauch erreichen. Parallel zum anlaufenden Ausstieg aus der Kohleverstromung erachtet die Bundesregierung dies als notwendig, um das definierte Sektorziel der Energiewirtschaft – d.i. eine Minderung der Treibhausgasemissionen um 62 Prozent bis 2030 in Bezug auf das Basisjahr 1990 – im Verbund mit den 17 Gigawatt verbleibenden Kohlekraftwerken zu erreichen. Bemerkenswert hierbei: Für den „Energieträger“ Wind onshore sollen einerseits Beschränkungen bei Planung und Genehmigungen entfallen, anderseits werden durch die Konstatierung eines Mindestabstandes von 1.000 Metern zu „reine[n] und all-gemeine[n] Wohngebiete[n] [und] […] dörfliche[n] Strukturen mit signifikanter Wohnbebauung“ starke Einschränkungen vorgenommen. Letzteres gilt im übrigen auch für Repowering!

 

Grundsätzlich eröffnet der definierte Wert von 65 Prozent erneuerbarer Energien am Stromverbrauch Möglichkeiten in Bezug auf die Errichtung von neuen Erzeugungsanlagen. Gerade aber der „bayerische Weg“ in Bezug auf den Windenergieausbau setzt jedoch einen starken Akzent: Ausbau ja, aber… Hier trägt die Bundesregierung dem vorgeblichen Akzeptanzproblem über Gebühr Rechnung. Insbesondere die Einschränkung durch einen nunmehr bundesweit geltenden Mindestabstand kann nicht Ernst genug genommen werden. Da über die Ausweitung auf Repowering faktisch eine nachträgliche Nichtgenehmigung für Anlagen entstehen könnte, werden sich bei älteren Anlagen gerade formierende Ansätze für die Post-EEG-Phase zumindest teilweise zerschlagen.

Bereits unmittelbar nach Bekanntwerden des Klimapakets formierte sich breite Kritik an dem weithin als zu kurz gegriffen empfundenen Maßnahmenpaket. Diese Kritik verstärkte sich zusätzlich durch den Referentenentwurf, der das Maßnahmenpaket in gesetzliche Form gießen soll. Denn der Text weist deutliche Abschwächungen im Vergleich zum bereits im Februar vorgelegten ersten Entwurf des Klimaschutzgesetzes aus dem Bundesumweltministerium auf.

Das Bundesumweltministerium unterteilt die deutsche Wirtschaft in sechs Sektoren: Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft sowie Abfallwirtschaft und Sonstiges. Jedem dieser Sektoren sollte nach dem Willen des BMU Emissionsmengen zugewiesen werden. Über deren Einhaltung bzw. die Einleitung von Maßnahmen zur Emissionsreduktion durch Sofortprogramme sollte das entsprechend thematisch befasste Bundesministerium verantwortlich zeichnen. Demgegenüber heißt es nun im aktuellen Referentenentwurf: „Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates die Jahresemissionsmengen der Sektoren zum Beginn des jeweils nächsten Kalenderjahres zu ändern“. Das heißt, dass Emissionsmengen nun zwischen einzelnen Sektoren verschoben werden können. Kritiker fürchten hier eine bewusste Bevorzugung des „Problemkindes Verkehr“.

Weitere Kritikpunkte: Der sogenannte Klimarat hat laut dem Referentenentwurf nun deutlich weniger Einfluss als ursprünglich angedacht. Das Gremium soll nun kein jährliches Hauptgutachten mehr zur Wirksamkeit der Maßnahmen erstellen. Auch soll der Klimarat anders als geplant keine Vorschläge mehr machen dürfen, wie die zuständigen Ministerien beim Nichterreichen von Minderungsquoten nachjustieren können. Zudem wurde das Ziel des Klimaschutzgesetzes deutlich abgeschwächt. Statt der ursprünglich vorgesehenen „Vermeidung einer anthropogenen Störung des Klimasystems“ und dem Erreichen von „Netto-Treibhausgasneutralität“ heißt es nun, man wolle „Treibhausgasneutralität bis 2050 als langfristiges Ziel verfolgen.“ Das Zwischenziel, Deutschlands Treibhausemissionen bis 2040 um mindestens 70 Prozent zu reduzieren, wurde ersatzlos gestrichen.

Die Kanzlerin beteuerte indes, die Überwachung der Klimaziele werde „glasklar im Gesetz verankert sein“.  

www.bmwi.de
www.bmu.de

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